Buchtipp: 2052. Eine globale Prognose …

Wie wird die Welt im Jahre 2052 aussehen? Im neusten Bericht an den Club of Rome wird versucht, eine Antwort darauf zu finden. Denn wer eine Idee hat, welche Herausforderungen auf uns als Bewohner dieses Planeten auf uns zu kommen, kann früher reagieren. Es lohnt sich also ein Blick auf die „wohlbegründete Vermutung“ über unsere Zukunft.

1972 erschien Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Für mich war es damals, etwa 1976, am Oberstufen-Kolleg der Uni Bielefeld der erste Kontakt mit Systemdynamik. Und es machte uns damals sehr deutlich, dass „weiter so" für uns als Bewohner dieses begrenzten Planeten nicht funktionieren wird.

Vor 40 Jahren wurde von Dennis und Donella Meadows anhand verschiedener Szenarien in einem Simulationsmodell der Welt gezeigt, dass, wenn man schnell handelt für eine Umsteuerung Richtung Nachhaltigkeit, eine stabile Nutzung unseres Lebensraum für alle Menschen möglich wäre.

Nun, seitdem sind 40 Jahre vergangen. Von einer nachhaltigen Nutzung unseres Planeten zum Nutzen Aller sind wir noch weit entfernt. Manche Prognose aus „Grenzen des Wachstums" – zum Beispiel die Rohstoffförderung und die Bevölkerungsentwicklung – waren etwas übereilt, andere Probleme wie CO2, Artenschwund, soziale Spannungen wurden unterschätzt.

BuchcoverIn dem Buch 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome: Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre wird versucht, aus dem Rückblick auf die letzten 40 Jahre und den aktuellen Trends eine wohlbegründete Vermutung über die Zukunft in 40 Jahren zu erstellen. Wie „Grenzen des Wachstums" ist dieses aktuelle Werk eine Kollaboration/Kooperation von vielen Beobachtern und Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Disziplinen. Jørgen Randers, der auch schon an „Grenzen des Wachstuns" und seinen Überarbeitungen mitgewirkt hat, ist der Hauptautor. Eindrücklich fand ich die vielen, persönlicheren Beiträge der Mitautoren aus ihren jeweiligen Themenbereichen. Diese grau abgesetzten, mehrseitigen Artikel machen es spannend und abwechslungsreich, in dem Buch zu stöbern.

„2052“ kommt zu dem Ergebnis, dass ein gleitender, sanfter Übergang in eine nachhaltige Form des menschlichen Lebens auf diesem Planeten wohl nicht mehr möglich ist. Es erscheint unvermeidbar, dass es chaotische, also nicht vorhersehbare Situationen geben wird: Überreaktionen, Mangelsituationen, (Wirtschafts-)Krisen, massive Konflikte. Und eine chaotische Situation in einem Bereich kann leicht andere Bereiche destabilisieren.

Nein, die Menschheit wird nicht untergehen! Aber das Leben wird sich stark ändern – ob wir wollen oder nicht – schon bis 2052 – und erst recht bis zum Ende des Jahrhunderts. Als dringendstes Hauptproblem wird im Buch 2052 der Klimawandel bzw. die CO2-Emissionen gesehen. Verständlich insbesondere wegen der großen Trägheit des Klimassystems und eventuell überschrittener Umkipp-Punkte. Es bleibt bei mir aber das Gefühl, dass inzwischen so viele Teilsysteme (wie z.B. Wirtschaft/Finanzen, Artensterben, Lebensmittelproduktion, soziale Schere) instabil sind oder werden, dass wir nicht eine Baustelle (CO2) mehr haben, sondern eine gewaltige, chaotische Großbaustelle.

Im letzten Abschnitt des Buches gibt der 67-jährige Jørgen Randers, Professor am BI Norwegian Business School, 20 persönliche Ratschläge:

  1. Legen Sie mehr Wert auf Zufriedenheit als auf Einkommen
  2. Vermeiden Sie eine Vorliebe für Dinge, die bald verschwunden sein werden
  3. Investieren Sie in hochwertige Unterhaltungselektronik als Ersatz für die Realität
  4. Erziehen Sie Ihre Kinder nicht zu Naturliebhabern
  5. Wenn Ihnen die Vielfalt des Lebens am Herzen liegt, genießen sie Sie, solange Sie noch können
  6. Besuchen Sie die Sehenswürdigkeiten der Welt, bevor sie durch die Menschenmassen ruiniert werden
  7. Wohnen Sie an einem Ort, der vom Klimawandel möglichst wenig betroffen ist
  8. Ziehen Sie in ein Land, in dem Entscheidungen getroffen werden können
  9. Finden Sie heraus, welche Folgen fehlender Nachhaltigkeit Ihre Lebensqualität am meisten beeinträchtigen werden
  10. Wenn Sie nicht im Dienstleistungsbereich oder in der Pflege arbeiten wollen, suchen Sie sich einen Job in den Bereichen Energieeffizienz oder erneuerbare Energien
  11. Raten Sie Ihren Kindern Mandarin zu lernen
  12. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, jedes Wachstum sei gut
  13. Denken Sie daran, dass Ihre fossilen Wertanlagen eines Tages plötzlich ihren Wert verlieren werden
  14. Investieren Sie in Dinge, die robust gegen soziale Unruhen sind
  15. Tun Sie mehr als Sie müssen. So vermeiden Sie später ein schlechtes Gewissen
  16. Für Unternehmer: Lotsen Sie das Geschäftspotenzial von Verbesserungen der Nachhaltigkeit aus
  17. Für Unternehmer: Mengen Wachstum bedeutet nicht automatisch Gewinnsteigerung.
  18. Für Politiker: Wenn sie wieder gewählt werden wollen, unterstützen Sie nur Initiativen die kurzfristige Gewinne versprechen
  19. Für Politiker: Denken Sie daran, dass wir in Zukunft an viele Grenzen stoßen werden.
  20. Für Politiker: Akzeptieren Sie, dass der gleichberechtigte Zugang zu begrenzten Ressourcen wichtiger werden wird als die Redefreiheit

Die wohlbegründeten Vermutungen über die Zukunft und insbesondere die Beiträge aus den einzelnen Problemfeldern fand ich sehr informativ und hilfreich. Und auch wenn man vielleicht dem einen oder anderen Aspekt eine andere Gewichtung geben möchte, die Grundtendenz bleibt: „Leben Sie mit der drohenden Katastrophe, ohne die Hoffnung zu verlieren."

Aber die ernst und wohl gemeinten persönlichen Ratschlägen sind hoffentlich nur eine Anregung, selbst mal darüber nachzudenken, wie man mit den Unsicherheiten umgehen möchte. Manche von Jørgen Randers Ratschlägen erscheinen mir sehr sinnvoll, andere jedoch zynisch, menschenverachtend, unfair und kontraproduktiv für eine nachhaltige Welt, in der man gerne leben möchte. Okay, als zur Diskussionsanregung trotzdem nicht schlecht!

Meine Gedanken dazu: Weit vorausschauen, wo man (gemeinsam) hin will, danach aktuell entscheiden und ständig, immer wieder den Kurs überprüfen. ob die gestarteten Aktivitäten noch in die gewünschte Richtung führen – agiles Management. Und: Systeme mit hoher Diversität/Vielfalt sind flexibler und robuster, haben bei Katastrophen bessere Überlebenschancen. Statt der erkennbaren Sympathien von Jørgen Randers für schnelle, nicht-demokratische Entscheidungen wie in China denke ich eher an „mehr Demokratie wagen" - direkter, schneller und auf transparenterer Grundlage.

Der Schlussbemerkung schließe ich mich gerne an:

Bitte helfen Sie mit, dass meine Prognose sich als falsch erweist.
Gemeinsam können wir eine bessere Welt erschaffen."

Ergänzende Infos:

Die Deutsche Gesellschaft des Club of Rome hat ein kurzes Video zu diesem Thema veröffentlicht:

Von der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome gibt es auch eine Broschüre Wachstum? Ja bitte – aber 2.0! als PDF-Datei.

Nach der Veröffentlichung von „2052“ im Mai 2012 folgte im November 2012 der nächste Bericht an den Club of Rome: Bankrupting Nature – Denying our Planetary Boundaries. Dazu gibt es auch ein Video, in dem die beiden Autoren Anders Wijkman und Johan Röckstrom ihre Gedanken präsentieren. Von Johan Röckstrom gab es 2010 auch einen sehr anschaulichen TED-Vortrag Let the environment guide our development.

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