Buchtipp: Arbeitsfrei

BuchcoverLassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Nur ein paar Jahre, vielleicht 1 oder 2 Jahrzehnte. Frei nach Ikea: Arbeitest du noch oder lebst du schon?

In ihrem lesenswerten Buch Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu Maschinen, die uns ersetzen besuchen die Autoren Constanze Kurz und Frank Rieger verschiedene deutsche Unternehmen, die beispielhaft für den Wandel unserer Produktionssysteme sind. Unter anderen auch hier in der Region den Landmaschinenhersteller Claas. Der Blick geht aber über die Produktion hinaus: Logistik, Druckindustrie, autonome Autos, Roboterfertigung und auch die geistige Arbeit. Sie stellen dabei einen gewaltigen Wandel fest. Die Produkte werden immer individueller, die Qualität besser – und der Anteil menschlicher Arbeitskraft dabei immer geringer. Das betrifft nicht nur die Produktion, sondern auch Dienstleistungen und Handel.

Nehmen wir nur mal einen kleinen Aspekt: die autonomen Fahrzeuge. Google plant diese 2018 – also schon in gut 4 Jahren! – auf den Markt zu bringen. Nissan hat entsprechendes für 2020 angekündigt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dann auch schon der dafür erforderliche gesetzliche Rahmen in Deutschland bzw. Europa geregelt ist. Aber überlegen Sie doch mal, was das dann für vielleicht 2025 bedeutet. Fahrzeuge werden dafür bezahlt, dass man sie nutzen kann – die heutigen „Stehzeuge" (parkende Autos) sind uninteressant und unwirtschaftlich. Also werden autonome, mietbare Fahrzeuge sich schnell durchsetzen. Nicht nur das Taxi-Gewerbe wird überflüssig, auch Parkhäuser werden nicht mehr benötigt. Und Fußgänger und Radfahrer bekommen wieder Platz in der Stadt, da kaum noch Parkplätze bebraucht werden – zumal Unfälle zwischen autonomen Autos und Fußgängern bzw. Radfahrers sehr viel seltener werden als heute mit von Menschen gesteuerten Autos. Vielleicht werden auch autonome Kleinbusse attraktiv, die individuelle Ziele anfahren, und so die Fahrzeugdichte im Verkehr reduzieren. Und das alles schon in vielleicht gut 10 Jahren! Wenn nicht in Europa, dann aber wohl anderswo auf diesem Planeten. Ist das nicht ein irres Entwicklungstempo? Ich freue mich drauf …

Andererseits: Es ist schon erschreckend, mitzubekommen, wie mit immer weniger Menschen die Unternehmen mehr und in besserer Qualität produzieren. Es geht nicht mehr um einzelne Teile oder um komplette Produkte und ihre Lebenszyklen, sondern um Systeme. Die Menschen, die in Zukunft gebraucht werden, brauchen sehr viel höhere und breitere Qualifikationen. Der Anteil der Hilfstätigkeiten und einfachen Arbeiten wird sinken, der z.B. der Softwareentwickler und Systemmodellierer steigen. Wir brauchen kreative Menschen, Vielfalt der Denkweisen und ein breites Wissen gekoppelt mit speziellem Fachwissen. Wie kann das durch das Schulsystem unterstützt werden? Lieber Studium Generale statt spezialisiertem Bachelor?

Wenn nun immer weniger Menschen benötigt werden, um mehr und besser zu produzieren oder Dienstleistungen zu erbringen, wovon sollen die Menschen hier leben? Ohne Arbeit kein Einkommen, keine Möglichkeit die tollen neuen Produkte zu kaufen. Und ohne die Lohn- und Einkommensteuer haben auch die öffentlichen Kassen arge Probleme. Das Konzept der Erwerbsarbeit kommt an seine Grenzen. Erwerbsarbeit ist nicht mehr Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Das galt in den letzten Jahren schon für die Finanzindustrie und ihre Börsengeschäfte und wird langfristig auch für die Produktion greifen. Das Wohlergehen der Menschen wird vom Wohlergehen der Unternehmen entkoppelt. Diese Herausforderung eines neuen Konzeptes der Wirtschaftens und Zusammenlebens, sozusagen Wirtschaft 2.0 – Wirtschaft neu gedacht und geregelt –, ist eine ungleich größere Herausforderung als die der gesetzlichen Regelung der autonomen Fahrzeuge – oder auch die der autonom agierenden Drohnen bzw. Kampfroboter.

Die Zukunft wird spannend. Es ist jetzt Zeit sich darüber Gedanken zu machen und neue Konzepte zu entwickeln und erproben. Desto früher wir agieren, desto leichter ist es den Wandel in eine positiven Richtung zu beeinflussen. Die Nicht-Bewältigung der Herausforderung der viel zu hohen CO2-Belastung der Atmosphäre darf kein Vorbild für den Wandel bezüglich Wirtschaft und Menschlichkeit sein.

Kleine Appetizer für das Buch:

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