Bühne frei fürs Scheitern

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Obwohl des Öfteren Grenzen dieses Gesellschaftsmodells erlebt werden. In Form von Überarbeitung, Gefühlen der Sinnentleerung, aber auch durch deutlicheres Positionieren für sinnstiftendes Tun. Es ist nicht für jeden Platz auf dem Treppchen Nr. Eins. Und keiner gelangt dort wirklich allein hin.

Scheitern ist ein Tabu.

Im Bildungs- und Berufskontext gibt es Menschen, die sich um jene bemühen, welche als Jugendliche und junge Erwachsene um Bildungsabschlüsse und Perspektiven kämpfen. Mühsam ist das Geschäft. Für die einen, weil sie das Gefühl haben, die anderen ließen sich nicht motivieren. Für die anderen, weil sie längst schul- und ausbildungsmüde sind und aus Eigenschutz schon lange nicht mehr an ihren Erfolg glauben. Da heißt es den Kopf oben zu halten. Auf beiden Seiten.

Mensch versteckt hinter Bücherstapel

Ich habe mich gefragt in der Begleitung von derartigen Profis, was würde geschehen, wenn Scheitern Würdigung erführe? Wenn dieses Phänomen liebevolle Färbung erhielte? Wenn von Beginn an deutlich gemacht würde, „so könnte dein Weg aussehen und gelingen, aber, er könnte auch scheitern! Trotzdem, lass dir nicht deine Freude am Experiment, deinen Stolz und Glauben an Möglichkeiten nehmen! Lass uns überlegen, wie wir Scheitern kommunizieren, frühzeitig erkennen, verstehen und nutzen könnten. Wie wir es zum hilfreichen Partner machen können.“

Angenommen, Scheitern verlöre seinen Schrecken ...

… würden dann nicht viel mehr Menschen mutig sein, etwas zu versuchen? Würde nicht menschliche Neugier und Freude am Lernen, Spielen und Erproben Auftrieb erhalten? Mir geht es nicht darum, kopflosen Aktionismus oder blindes Risikoverhalten zu fördern. Aber gerade in einer Zeit der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüchen Neues zu erproben. Anstatt skaliert und fehlerfrei zu funktionieren.

Wir kennen es, gern schauen wir uns – wertschätzend – gute Praxis von anderen an. Doch wenn ein „weiter so“ nicht mehr greift, weil Technologie sich ändert, der Blaue Planet ächzt und stöhnt, zwischenmenschliche Konflikte deutlich machen, dass wir neu über Teilhabegerechtigkeit nachdenken müssen, brauchen wir eben den Mut zu Experimenten.

Die Clowns und Clowninnen dieser Welt machen persönliches Scheitern sichtbar. Sie übernehmen die Scham dieser Gesellschaft und ertragen dazu all unsere Häme. Clowns und Clowninnen tragen unser Kreuz des Scheiterns, mit Klugheit im Herzen und naivem Staunen im Gesicht.

Scheitern macht erfolgreich

Die eben erwähnten Spaßmacher sind gerade dadurch erfolgreich, dass sie unperfekt sind. Wenn das Erwartete kippt, beginnt ihr Erfolg.

Angenommen, mit Humor, Respekt und Klugheit würden wir in Schulen, Organisationen, Familien und unter Freunden die Bühne des Scheiterns eröffnen, Pokale für mutige Scheiterprojekte verteilen! Angenommen, wir Profis würden unser Handeln überprüfen, ohne uns zu verurteilen. Damit wir aufhören, in den Spuren der Domestizierung zu bleiben. Großes beginnt im Kleinen und meistens mit noch verschwommenen Ideen und vielen, vielen Irrtümern. Und eventuell werden wir auch nicht im klassischen Sinne erfolgreich in diesem Leben. Vielleicht wäre es daher ein guter Schritt, uns vom Erfolgsdenken zu trennen, wie es einmal eine mir liebe Kundin formuliert hat. Und stattdessen Absichten zu verfolgen.

Clownsgesicht

Ab und an erlebe ich Profis, die selbst im Gefühl des Scheiterns festzustecken scheinen. Das Laufband innerer Gedanken scheint dann zu melden: „Ich bin selbst ein Looser. Warum bin ich nur in diesem Umfeld hängen geblieben.“ Mag sein, dass gesellschaftliche Anerkennung für ihr Tun Wunder wirken würde.

Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg?

Scheitern heißt, gesteckte Ziele nicht erreicht zu haben. Allerdings, sind es wirklich selbst gesteckte Ziele gewesen? Oder eher Erwartungen, welche von außen an uns gestellt werden? Oder sind wir mit getrabt im überholtem Konsens? Sind wir am falschen oder fehlendem Tun gescheitert? Vielleicht deshalb, weil wir Blamage fürchten und Hirn und Herz voll haben mit hemmenden Vorannahmen über Erfolg und unsere Möglichkeiten, Wert und dem Druck des Erfolges?

Jeder Moment ist perfekt – finden wir heraus wofür!

Die große Kunst ist, weiter zu machen, den Kopf oben zu behalten, attraktive eigene Ziele zu finden und ins Handeln zu kommen. Aus Ergebnissen zu lernen und Handeln, Denken sowie Strategien zu modifizieren. Und das Leben anzunehmen, in Demut. Das stärkt persönliche Resilienz.

Hoffnung ist ein zentrales Element für persönliche und gesellschaftliche Entwicklung. Hoffnung entsteht, wenn wir herausfinden, was es im Scheitern zu lernen gibt. Und das OHNE Versagensgefühle! Sondern mit wertschätzendem Schulterklopfen. Und wenn es passt, begleitet von humorvollem Lachen.

Wenn ich meine bedeutsamen Scheiterpunkte anschaue, so kann ich heute sagen, jenes, was stattdessen kam, war auch eine Option. Und oftmals eine viel bessere. So ließe sich – mit Abstand betrachtet – folgendes Resümee ziehen:

In jedem Tag, ja jedem Moment versteckt sich ein Neuanfang. Wenn etwas nicht klappt, versuchen wir etwas anderes. Es warten viele Möglichkeiten!

KLARA meint: „Feiere dein Scheitern. Jenes, was geschieht, ist das Einzige, was geschehen konnte.“

Die kommenden Blogartikel widmen sich der Lernenden Organisation.

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