Die Kraft der Introvertierten

Introvertiertheit gilt oftmals schon fast als Krankheit. Die lauteren Extrovertierten scheinen die Erfolgreicheren zu sein. Umso schöner, dass die selbst ziemlich introvertierte Susan Cain vor mehreren Hundert Menschen in ihrem Vortrag bei einer TED-Konferenz im Februar 2012 einen ganz anderen Blick auf Introvertierte ermöglicht. Sorry, leider nur in englisch.

Wer ihren Vortrag lieber schriftlich haben möchte: Auf der TED-Seite kann man über die Schaltfläche „Interactive transcript“ – rechts unten neben dem Video – eine Mitschrift anzeigen lassen.

Vielleicht fragen Sie sich selbst, lieber Leser: Wie gehe ich mit eher introvertierten Menschen um? Respektvoll, akzeptierend? Und wie gehe ich selbst mit meinen eigenen introvertierten Anteilen meiner Persönlichkeit um? Verdränge ich sie? Oder gebe ich ihnen Raum?

„There's zero correlation between being the best talker and having the best ideas –
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen gute Reden halten und gute Ideen haben.“

Susan Cain schließt mit 3 Aufforderungen – call for action:

  1. „Stoppen Sie den Unsinn ständiger Gruppenarbeit! Einfach Schluss damit.
    Lockerer, informeller Austausch wie in einem Café ist großartig sowohl für Extro-, wie auch für Introvertierte. Aber wir brauchen auch mehr Privatsphäre, mehr Autonomie und Freiheit. In der Schule müssen wir den Kindern Zusammenarbeit lehren, aber eben auch Einzelarbeit.“

  2. „Gehen Sie in die Wildnis! Seien Sie wie Buddha, haben Sie Ihren eigenen Offenbarungen.
    Nicht, dass nun alle raus gehen, ihre eigene Hütte in den Wäldern bauen und nie wieder miteinander sprechen sollen. Aber wir könnten öfter mal die Verbindung kappen und mit uns und in uns selbst sein.“

  3. „Schauen Sie, was Sie in Ihrem persönlichen Koffer, der Ihr Leben begleitet, mit sich tragen, und fragen Sie sich, warum es Ihnen so wichtig ist und Sie es eingepackt haben.
    Liebe Extrovertierte, vielleicht sind auch Ihre Koffer voller Bücher. Oder vielleicht sind sie voller Sektgläser oder Fallschirmsportausrüstung. Was immer es ist, ich hoffe, Sie nutzen diese Dinge bei jeder Gelegenheit und beehren uns mit Ihrer Energie und Freude. Und, liebe Introvertierte, wenn Sie so sind wie Sie sind, haben Sie wahrscheinlich den Impuls, den Inhalt Ihres eigenen Koffers sehr sorgfältig zu bewachen. Das ist okay so. Aber ich hoffe, dass Sie manchmal, nur manchmal, anderen Menschen einen Blick in Ihren Koffer ermöglichen. Denn die Welt braucht Sie und das, was Ihnen so wichtig ist.“

Wahrscheinlich gilt es für die USA etwas stärker als für die heimischen Verhältnisse: Wer nicht so gerne unter vielen Menschen ist, wird als nicht sozialkompatibel ausgegrenzt. Susan Cain hofft, dass wir jetzt an einer Schwelle zu einem anderen, respektvolleren Verhältnis zu Introvertiertheit sind – dazu ist ihr Vortrag jedenfalls eine gute Anregung.

Im rheinischen Karneval heißt es sehr passend: „Jede Jeck es aners.“ Und so brauchen Menschen unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile.

Wenn es gelingt, eine Atmosphäre, einen Raum zu schaffen, wo Jeder sich wohl fühlt, können sich die unterschiedlichen „Jecken“ gegenseitig beflügeln, so dass Alle davon profitieren. Ich denke, dass gerade moderierte Treffen – vom Teamtreffen bis zu Organisations- bzw. Großgruppenkonferenzen wie z.B. Open Space (auch in Kurzform als Offene Agenda) oder Strategiekonferenz (RTSC) – diesen Raum bieten können.

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