Die Krone aufsetzen

Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitermachen! Der Spruch müsste zu Pandemiezeiten doch anders lauten.

Vielleicht derart: Krone sprich Corona eingefangen, hinfallen, aufstehen, weitermachen. Oder ist es nicht vielmehr so? Corona aufhalsen, trotzdem weitermachen wie bisher und immer im bekannten Modus aufstehen. Hinfallen. Schluss aus. Punkt um. Ende im Gelände. Ok, ok, ich will nicht zu negativ werden.

Schließlich ist ja Veränderung unser Geschäft!

Trotzdem, in den letzten Tagen werde ich das Gefühl nicht los, dass die durch Corona aufgebürdete globale Portion Veränderung dieses Mal so groß werden könnte, dass frau und man - und sonst noch wer – auf jeden Fall ich - ganz aufs Trockene fallen könnte. Sozusagen liegen bleiben. Da der Strom der bisher tragenden Routinen, die sonst so üblichen persönlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Selbstverständlichkeiten, abebbt. Die Kraft will aus den Gliedern weichen.

Fassungslos zuschauend, wie Irregeleitete in ihren Scheinwelten leben, an der Demokratie sägen und gleichzeitig die Belastbarkeit des medizinischen und pflegerischen Personals und der Erkrankten an seine Grenzen gelangt. Und ich – und ggf. auch andere - wirklich, wirklich nicht klar vor Augen haben, was nun kommt. Wie es aussehen mag, das Zukünftige, welches aus dem Bodensatz der Pandemieturbulenzen zum Vorschein drängen wird. Ist meine Idee für mein Business in Zukunft, die so allein in mir aufploppt, überhaupt eine, die es braucht? Wie wird sich die neue Wirklichkeit zeigen? Umbrüche sind die Folge umfangreichen Krisengeschehens, doch welche genau? Welchen Beitrag kann ich leisten? Und welcher wird gebraucht?

Viele Branchen betteln um staatliche Unterstützung für die Rückkehr ins Vorherige. Wir als gekränkte Gesellschaft stoßen sauer auf darüber, dass die Flugreise, der Kaffee im Sonnen gefluteten Straßencafé, die Herz und Seele berührende Kultur, das illustre Shopping so sehr fehlen. Wir sind erschöpft, da wir es nur noch schwer aushalten, auf uns selbst oder – wenn wir es gut haben - auf unsere engsten Kreise zurück geworfen zu sein. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet nun, dies nahezu allein hinbekommen zu müssen, inklusive des Dranbleibens an schulischem Wissen für den Nachwuchs. Ein Wissen, welches sich im elterlichen Schädel eventuell in versteckte Tiefen zurückgezogen oder gar nicht Halt gefunden hat. Dabei mäandern wir beim Einkaufen wie ferngesteuert im 1,5 Meter-Abstand um unsere Artgenossen herum. Wie werden unsere Beziehungen sich entwickelt haben, wenn wir denn wieder nah sein können?

Wie so viele, habe auch ich, haben wir zu zweit unser Business ins online-Format übertragen.

Und wir waren und sind gar nicht schlecht, so denke ich. Sogar das systemische Aufstellen funktioniert virtuell, unglaublich! Zu Beginn waren wir total erschöpft nach jeder Session. Die Menschen nicht wie üblich in Gänze und als System im Raum zu erfahren und intuitiv miteinander zu kommunizieren, wich einem doch deutlich strenger vorbereiteten und strukturierten Input via Zoom. Klar, geht! Wir haben gelernt, viel! Aber, Stop! … was wird aus meinem ureigenen Business? Werde ich wieder zurückkommen zur Lebendigkeit physischer Gruppenprozesse in Workshops, Konferenzen, Coachings? Werde ich wieder eintauchen dürfen in den physischen Beziehungsraum, der sich eröffnet, wenn menschliche Themen sich entwickeln dürfen? Was ist, wenn ich das verlerne? Was kommt dann?

Nun, viele Veränderungsbegleiter*innen haben getwittert, gewhatsappt und gefacebookt, wie toll das denn jetzt so sei, so virtuell! Sogar besser als vorher, meinte der eine oder die andere! Welche neuen Möglichkeiten sie nun entdeckt haben. Und natürlich haben die meisten die Coronatäne GENUTZT! Sich neu aufgestellt. So gehört sich das für Veränderungsexpert*innen. Investiert in Technik. Scheinwerfer für besseres Aussehen, große Monitore für den Überblick und gute Mikrophone für klangvolle Stimmen, Accounts für Videokonferenzen abonniert. Mal eben das Angebot ins Virtuelle geswitcht, jetzt konnten die Schnellen den anderen in ihren online-Workshops vermitteln, wie das denn funktioniert mit … online-Workshops, remote-Teamwork, remote-Führung und Personalmanagement.

Hüpfi, hüpfi, wir sind so toll, wir kommen zurecht, wir wuppen das!

Haben wir auch, klar … aber ... was ist, wenn du auf einmal das Gefühl hast, hoppla, das wird jetzt alles sooo anders, du versuchst zwar auch ganz hipp mitzumachen, aber … wie viel Technik, Distanziertes und Digitales soll denn jetzt unser aller – oder besser – mein Leben ausmachen? Was gehört für mich zu einem erfüllten Leben und wo und wie finde ich das zukünftig? Wo bleibt die Seele in dem Ganzen, geht die nicht noch viel mehr flöten als vorher? Was lasse ich zurück? Wo bleibt Raum für Trauer?

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, sich zu vernetzen – ok, zur Zeit via zoom oder auch per Brief, Blogs, social media, mal auf einem Spaziergang zu Zweit, mit Abstand, versteht sich - gemeinsam nach vorne zu träumen in menschlicher Verbundenheit, mit Seelentiefe, für eine l(i)ebenswerte Zukunft? Sich zu fragen, was auf keinen Fall in einer menschlichen Zukunft fehlen dürfte? Welche Lehrstücke wir aus dieser Pandemieerfahrung ziehen möchten, so jede*r individuell aber auch wir als Gesellschaft? Corona kommt nicht von ungefähr! Und Digitalisierung und Impfung kann nicht allein die Antwort sein. Das Klima und soziale Schieflagen klopfen auch noch an.

Eröffnen wir Wunschhorizonte. Stärken wir die Produktivkraft des Träumens, wie es Harald Welzer formuliert.

Lasst uns Zeit zum Trauern ...

Wer fehlt in den menschlichen Reihen? Wen müssen wir täglich verabschieden und auf welche Weise? Welche Gesten sind auf der Strecke geblieben? Lasst uns besprechen, was wir retten möchten für die Zukunft. Und seien wir ehrlich, welchen Quatsch und überbordenden Konsum, welche Wastetime wir nicht mehr benötigen, welche Routinen an Festen und Verabredungen, an sinnlosem Konsum wirklich nicht gefehlt haben. Weihnachten mal so ohne viele Geschenke und Trouble, Silvester ohne Böller? Das fand ich gar nicht übel.

Aber die spontanen Umarmungen mit mir lieben Menschen, die kleine Erzählung am Rande, das Zusammenstecken der Köpfe oder ungehemmte Lachen, ja, das fehlt mir. Heben wir die Schätze, erzählen wir uns davon.

Machen wir Veränderung, die es in sich hat. Die in die Tiefe geht. Die das Leben krönt.

Wagen wir jenes, was wir schon immer bedauerten, abzulegen. Und jenes, wonach sich unser Herz – in der Tiefe – wirklich, wirklich sehnt, ins Leben zu holen. Mit, trotz und nach Corona. Privat, beruflich, gesellschaftlich.

Corona weist den Weg, da bin ich mir sicher. Wie allerdings genau mein Leben danach aussehen wird, das weiß ich nicht. Ich entscheide mich für Zuversicht, für Geborgensein im Ungewissen. Und für konstruktiven Optimismus.

Und übrigens, gern überlegen wir mit dir bzw. Ihnen, wie es denn weitergehen darf für dich als Einzelperson, für Ihr Unternehmen, Ihre Organisation.

Unser Job ist es, Kommunikation zu organisieren. Und gemeinsames Träumen und Ausrichten gehört dazu. Virtuell oder so richtig in echt. Lasst uns das Leben krönen.

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