Komplexe Zukunft: Corona & Cynefin

Vor 20 Jahren hat Dave Snowden sein Cynefin-Modell vorgestellt. Ein Modell, das uns hilft, zwischen einfachen, komplizierten komplexen und chaotischen Situationen zu sortieren. Denn jede von diesen 4 Situationen benötigt eine andere Herangehensweise, um das Problem zu lösen. Corona nehme ich hier als Beispiel. Und Cynefin ist auch hilfreich für unsere Klimakrise.

Cynefin-Modell

Aktuell ist unsere Zukunft schwierig einzuschätzen und wird immer unübersichtlicher: Es gibt viele Wünsche, die zueinander im Konflikt stehen. Nur ein Beispiel: Man möchte gerne Lebensmittel aus traditionellem und regionalem Bio-Anbau unter fairen Bedingungen – und man möchte die Lebensmittelversorgung für alle Bewohner dieses Planeten sicherstellen. Vielleicht, vielleicht ist das möglich, wenn man das „traditionell“ weglässt und eben mal schnell unser Wirtschafts- und Finanzsystem umkrempelt. Aber auch dafür gibt es wieder neue, berechtigte Einwände.

Unsere Wirklichkeit ist nicht nur kompliziert, sie ist ein komplexes System. Wir verstehen nur in Teilaspekten, was wo wie wirkt. Unsere Zukunft ist somit nur begrenzt vorhersehbar. Und wir lernen gerade, wie man damit umgeht: Corona bietet uns gerade einen erfahrungsorientierten Crash-Kurs im Umgang mit komplexen Systemen.

Wenn Neues, noch Unverstandenes überraschend auftritt, herrscht oft zunächst Chaos. Im Chaos gilt es, zunächst für Sicherheit zu sorgen. So auch im Winter 2019/2020 als eine neue, schwere Krankheit festgestellt wurde. Menschen wurden krank durch ein neues Virus. Um größeres Chaos zu vermeiden, nutze man altes Wissen im Umgang mit nicht behandelbaren Krankheiten: Quarantäne. Chaos wurde dadurch erst mal halbwegs beseitigt. Aber Quarantäne kann keine Dauerlösung sein. Das Virus, seine Wirkung und seine Behandlung war zunächst (noch) unverstanden – eine komplexe Situation.

Wie funktioniert ein angemessener Umgang mit komplexen Situationen? Beobachten. System-Modellierung durch Beschreiben der Wechselwirkungen. Mit dem Modell „spielen“ und immer wieder vergleichen mit der Realität. Kleine Experimente machen, um Wirkung und Zusammenhänge zu erkennen, und dadurch eventuell Aspekte des Systems besser zu verstehen.

Unter Zeitdruck ist das besonders schwierig. Die Wissen-schaft machte Ihren Job schnell, intensiv und gut vernetzt: Sie schaffte langsam immer mehr Wissen. Manches war zunächst nur eine These, noch unsicher. Empfehlungen mussten im Laufe der Zeit korrigiert werden – das ist ganz normal für Wissenschaft. Mit dem Wissen wurde Technik möglich. Komplizierte Technik, um das Virus und seine Ausbreitung einzuschränken: RNA-Impfstoffe, PCR- und Schnell-Tests, aber auch die Nutzung vorhandener Techniken wie Masken und andere Schutzausrüstung, Lüftungsregeln und Luftreiniger. Es gibt nicht die eine Lösung, den einen Weg, um Corona zu bewältigen. Es funktioniert nur, wenn mehrere Wege parallel genutzt werden. Komplexe Systeme brauchen oftmals viele verschiedene Interventionen parallel, um sie positiv und nachhaltig zu beeinflussen.

Das System aus Corona-Virus und seiner komplexen Wirkung ist nicht statisch, sondern wandelt sich weiter. Auch das ist typisch für unsere anderen globalen und lokalen systemischen Herausforderungen. Und dennoch: Es besteht die Hoffnung, dass Corona irgendwann so gut bewältigbar ist wie die Grippe-Viren. Es gibt also höchstwahrscheinlich eine menschliche Zukunft auch trotz oder mit Corona.

Unsere anderen globalen und sozialen Herausforderungen für eine menschenwürdige Zukunft sind auch nach dieser kleinen Lehrstunde in Komplexität durch das Corona-Virus noch längst nicht bewältigt.

Klimawandel, Artensterben, nicht-nachhaltige Landwirtschaft, Flächenverbrauch, Aufrüstung, soziale Gerechtigkeit, politische Teilhabe, Gesundheit, Bildung – dies um nur ein paar dieser Herausforderungen zu nennen. Und manche werden noch dramatischer, weil Wissenschaftler:innen fast immer sehr vorsichtig ihre Erkenntnisse formulieren. Es sieht nicht gut aus, auch wenn es durchaus positive Entwicklungen gibt. Die Dramatik steigt.

Okay, Bangemachen gilt nicht! Wir haben z.B. das System des Klimawandels oder auch des Artensterbens schon ziemlich gut verstanden. Es gibt Systemmodellierungen, die eine Vorhersage auf unsere Handlungsoptionen ermöglichen. Es ist in vielen Bereichen nicht mehr komplex, sondern nur noch kompliziert. Komplizierte Situationen brauchen die konstruktive Zusammenarbeit von Experten. Auch das haben wir durch Corona gesehen: Die Empfehlungen und Maßnahmen müssen die Virologie, der Aerosol-Forschung, die Situation der Intensivstationen, das soziale Leben, das Bildungssystem usw. berücksichtigen. Und vielleicht auch manche Lobbyinteressen und den Wahlkampf. Diese Abstimmung gegenläufiger Interessen macht komplizierte Situationen schwierig. Wenn es gelingt, einfache und verständliche Empfehlungen und Maßnahmen abzuleiten, dann kann daraus eine einfache Situation werden, wo Jede:r mitmachen kann.

Bezogen auf das Klima: Die Gestaltung von Regelsystemen wie CO2-Preis und Energiegeld ist und bleibt kompliziert: Ohne das Zusammenwirken von Fachleuten aus z. B. Wissenschaft, Ökonomie und Politik geht es nicht. Wünschenswert wären Empfehlungen und Regelungen, die einfach und verständlich sind und zum Handeln auf vielen Ebenen einladen: lokal, global, sowohl persönlich, wie auch als Gemeinschaft.

Kurz zusammengefasst als Aufforderungen an den Einzelnen, wie auch an Gemeinschaften:

  • Einfach: Setzt um, was einfach, sicher und bewährt ist!
  • Kompliziert: Bringt eure jeweiligen Kompetenzen zusammen und entwickelt gemeinsam neue, passende Lösungen.
  • Komplex: Wer mutig und neugierig ist, der mache auch gerne kleine, risikoarme Experimente, um zu verstehen, was wie funktioniert und wie es am besten passt.
  • Chaotisch: Manchmal braucht es Chaos, damit wirklich neue Idee und neue Gedanken entstehen können. Ansonsten: Unmittelbare Gefahren abwenden. Und dann Übergang zur Bearbeitung der komplexen Situation.

Wir begleiten Sie gerne mit unserer Kompetenz sowohl in komplexen, wie auch in komplizierten Situationen.

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