WdM 9: Management 1.0 bis 5.0 im realen Alltag

Tanz mit dem WandelKultur21, zeitgemäße Unternehmenskultur und Management tauchen bei uns immer wieder als Themen auf. Aber was bedeutet dies im realen Alltag? Einen ganz konkreten Fall aus der Praxis nehme ich hier mal als Beispiel:

Eine Mitarbeiterin braucht für die aktuelle Weiterarbeit im Projekt X eine Entscheidung, die für das kleine Unternehmen und auch darüber hinaus wichtig ist. Das Team, zu dem die Mitarbeiterin gehört, möchte wegen der Tragweite selbst keine Entscheidung treffen. Die Mitarbeiterin wendet sich an das Führungsteam, das ihr die Vorgabe gemacht hat, Projekt X umzusetzen, und bittet um eine Entscheidung zwischen den von ihr aufgezeigten Optionen A und B.

Was passiert nun – in den verschiedenen Management-Versionen 1.0 bis 5.0?
 

Management 1.0:

Reaktion: „Klappe halten und weiterarbeiten!“ wäre noch die einfachste Form der Reaktion. Denkbar sind aber auch Varianten wie „Damit befassen wir uns jetzt nicht, wir haben Wichtigeres zu tun.“, „Formfehler! Falsches Formular. So bekommen Sie keine Unterstützung!“, „Ihre Äußerungen enthalten Wertungen und Meinungen – das steht Ihnen nicht zu! Bleiben Sie ausschließlich neutral, sachlich, objektiv.“ Absurd? Ja, aber real erlebter Alltag.
Etwas kommoder, aber auch noch Management 1.0: „Frau Meier, Sie wissen doch, dass die Umsetzung des Projektes X Ihre Aufgabe ist. Also bitte, machen Sie Ihre Aufgabe!“

Die Mitarbeiterin bekommt unterm Strich keine Unterstützung bei der Lösung ihres Problems. Gleichzeitig wird ihr signalisiert, dass Entscheidungen ihr gar nicht zustehen. Die Mitarbeiterin wird nicht als Mensch mit eigenen Werten und Emotionen gesehen, sondern nur als ausführendes Organ.

Ergebnis: Demotivation, Duckmäusertum, innere Kündigung, „Beamten-Mikado“
 

Management 2.0:

Reaktionen: „Wir sind gerade an was ganz Wichtigen. Wir nehmen uns aber schon in 2 Monaten kurz Zeit für Ihre Frage und teilen Ihnen dann das Ergebnis mit.“ Oder – schon besser für die in Management-2.0-denkende Mitarbeiterin: „Setzen Sie Option C um! Das heißt …“. Eine gute Reaktion im Sinne von Management 2.0 wäre etwa so: „Danke für Ihr Mitdenken und das Aufzeigen unserer Optionen. Zu Aspekt Y der Option B haben wir noch 2 Fragen, die wir noch klären müssen, bevor wir entscheiden.“ Wunschlösung für die Mitarbeiterin wäre eine klare Äußerung wie „Danke für Ihre durchdachte Vorarbeit. Bitte setzen Sie Option A um. Wir haben uns für Option A entscheiden, weil …“

Ergebnis im ungünstigen Fall: „Dienst nach Vorschrift“, Gefühl des Ausgebremstseins, reduziertes Engagement, Demotivation
 

Management 2.5:

Im Management 2.5 würden die Führungskräfte erst mal gar nichts von dem Problem mitbekommen. Die Mitarbeiterin würde Ihre Kollegen fragen: „Ach, Rita, kannst du mir mal helfen? Ich weiß da im Moment nicht, was ich machen soll.“ Und vielleicht holt Rita noch Egon und Luise auch noch dazu. Und gemeinsam findet man schnell eine Lösung, wie man sich durchwursteln kann. Die Mitarbeiterin freut sich, dass so schnell eine Lösung gefunden wurde und dass das Team ihr den Rücken stärkt – ein leicht ungutes Gefühl bleibt aber vielleicht.

Reaktion: Zwei Wochen später kommt dann eine Führungskraft angebraust: „Was habt ihr denn da für einen Sch… gebaut? So geht das doch überhaupt nicht! Ihr (!) vergrault uns ja die Kunden!“

Ergebnis: Unruhe, Unsicherheit, schlechte Transparenz
 

Management 3.0:

Reaktion: Ein Person des Führungsteams geht sehr zeitnah innerhalb weniger Minuten zu der Mitarbeiterin, bedankt sich für Ihren Hinweis, dass etwas nicht „rund läuft“ und dadurch sich eine Lernchance für das Team und Unternehmen ergibt. Er bittet um Hilfe, das Problem zu verstehen. Sehr schnell wird das Team zusammengeholt. Gegebenenfalls werden weitere, eventuell Betroffene von der Entscheidung dazu eingeladen. Unter Moderation der Führungskraft wird nach einem festen Schema das Problem analysiert – nicht nur oberflächlich, sondern auch in seinen Verkettungen. Erst wenn das Problem wirklich gut verstanden ist, werden die so erkannten Ansatzpunkte für Lösungen heraus gearbeitet. An die übergeordnete Vision wird erinnert. Daraus Erfolgskriterien für Lösungen erarbeitet. Mögliche Lösungen werden durchgespielt, abgewandelt und weiter verbessert bis man im Team Konsens hat, eine der wohl durchdachten Lösungen zu erproben. Es wird vereinbart, wann in welchen zeitlichen Abständen diese Lösung reflektiert und weiter verbessert wird.

Ergebnis: Die Mitarbeiterin ist nach diesem Tag erschöpft, aber auch sehr zufrieden mit dem gemeinsam getragenen und vereinbarten Lösungsweg. Sie wurde als Mensch gesehen. Und Sie fühlt sich eingebunden und gestärkt durch das Team. Ihr Vertrauen wächst, dass dieses Unternehmen fast Unmögliches schafft – und sie ist stolz darauf ein Teil davon zu sein.

Die Führungskraft gibt dabei im Idealfall niemals Anweisungen, sondern hilft den Mitarbeitern / dem Team mit seinen Fragen, seiner Meta-Kompetenz der Lösungssuche, selbst die passende Lösung zu finden. Sie bietet einen standardisierten Lösungsprozess, der es ermöglichst den Abeitsprozess nachhaltig zu verbessern.

Nun mögen Sie, liebe LeserIn, sich fragen, wie schafft es die Führungskraft, so schnell zu reagieren? Hat die nicht Wichtigeres zu tun? Im Management 3.0 werden die vielen kleinen, alltäglichen Entscheidungen von den Mitarbeitern bzw. Teams, die die Entscheidungen umsetzen, selbst getroffen – nicht von den Führungskräften. Die Führungskräfte – der Name passt hier nicht mehr – vertrauen den Mitarbeitern, den Teams, dass sie gerne gute Arbeit leisten und die richtigen Entscheidungen treffen. Und falls Fehler passieren oder Unklarheiten auftauchen, okay, dann unterstützen sie ggf. die Lösungssuche. Nicht die inhaltlichen Entscheidungen sind die Aufgabe der Führungskräfte, sondern die Anleitung, die Moderation, das Coaching der Lösungsfindung. Und das Erinnern an die gemeinschaftlich getragene Vision oder weichen, größeren Ziele, wie auch das Sicherstellen von Transparenz.

Der Aufwand für die Lösungssuche erscheint gewaltig, aber es wird dabei nicht nur eine Lösung für das aktuelle Problem gefunden, sondern auch wie das System so verbessert werden kann, dass Probleme dieser Art in Zukunft gar nicht mehr auftreten können.
Durch das als hilfreich empfundene, immer gleiche Muster an Fragen der Führungskräfte, greifen Teamleiter und Mitarbeiter dieses Denkwiese auf. In eingespielten Teams und mit Mitarbeitern, die diesen Lösungsprozess kennen und für sich internalisiert haben, kann dieser Prozess sehr viel schneller abgearbeitet werden.
 

Management 4.0:

Da es im Management 4.0 keine Führungskräfte oder ähnliches gibt, sondern stattdessen Menschen mit unterschiedlichen persönlichen Qualitäten, wendet sich die Mitarbeiterin mit Ihrer Frage nach der passenden Option an diejenigen, von denen Sie annimmt, dass sie ihr bei der Entscheidung helfen können – sei es durch ihre fachliche oder durch ihre Coaching-Kompetenz. Gegebenenfalls werden weitere Personen hinzu gezogen, wenn sie von der Entscheidung betroffen sind, oder noch weitere ergänzende Qualitäten mit einbringen können.
Vielfach gilt: „Mach einfach! Aber überlege vorher gut und gründlich, so dass deine Entscheidung eine solide Basis hat. Und lade Betroffene in den Entscheidungsprozess mit ein.“ Oder in anderen Unternehmen gibt es feste Strukturen oder Prozesse für solche Entscheidungen, so dass die Entscheidung der Mitarbeiterin eine demokratische Grundlage hat. Gemeinsamer Konsens im Sinne von Mittragen der Lösung wird angestrebt.

Ergebnis: Engagement und Eigenverantwortung werden gestärkt.

Management 4.0 ist sehr flexibel und zeigt seine Stärken insbesondere in extrem komplexen bis chaotischen Systemen mit geringer Fraktalität, wo mit fast jedem Schritt, jeder Entscheidung Neuland beschritten wird und man schnell voran kommen möchte. Es verlangt von dem Mitwirkenden eine hohe persönliche Reife und eine systemische Denkweise.
 

Management 5.0:

Im Management 5.0 wendet sich die Mitarbeiterin zunächst kurz an ihr Team. Das Team – oder in ganzen dringenden Fällen die Mitarbeiterin selbst – entscheidet sehr schnell, nach welcher Management-Version sowohl der Mitarbeiterin, ihrem Projekt X, dem Unternehmen, wie auch dem gesamten System am besten geholfen werden kann, um zu einer guten Entscheidung zu kommen.
 

Soweit das Beispiel aus der realen Praxis. Sie haben vielleicht gemerkt, dass zwischen Management 2.0 und Management 3.0 ff. ein gewaltiger Unterschied ist. Es ist eine ganz andere (Unternehmens-)Kultur. Mit mehr Respekt, mehr Vielfalt, mit mehr demokratischem Geist. Die Management-Versionen 1.0 und 2.0 aus dem 20. Jahrhundert sind nicht mehr zeitgemäß, Management 3.0 bis 5.0 helfen uns bei unseren aktuellen Herausforderungen meistens besser und sind menschengerechter. Willkommen in einer zeitgmäßen Unternehmenskultur. Willkommen bei Kultur21!

Mehr zu den verschiedenen Management-Versionen finden Sie in unserem Booklet Wandel des Managements bzw. hier in unserem Blog.

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