TmdW 4: Meine Freundin, die Krise

Tanz mit dem WandelGestern habe ich einen Radiobeitrag gehört über einen Musiker in den besten Jahren namens Dad Horse Experience. Schon ein ungewöhnlicher Name. Er sehne sich nach einer Krise, in der er am Morgen noch nicht wisse, ob er am Abend noch leben wolle, war eine Äußerung von ihm. Weil er aus solchen Krisen wichtige Neuorientierung gewonnen, seinem Leben einen neuen Kurs gegeben hat. Jetzt, im dicht gestalteten Alltag, bei dem Aufgaben und Geldverdienen erledigt werden wollen, bleibt ihm keine Zeit für ein Versinken, in dem Neues reifen könne. Auch eine ungewöhnliche Position. Die meisten Menschen, die ich kenne, meiden Krisen wie der berühmte Teufel das Weihwasser. Daher meine Überschrift:

Meine Freundin, die Krise!

Wir kennen alle diese Krisen, mal tiefgehender, mal leichter ausgeprägt, doch in der Regel unangenehm und angstbesetzt. Dad Horse Experiences Worte lassen in mir folgende Gedanken aufkeimen:

  1. Zum Einen, es lohnt sich, regelmäßig Auszeiten für sich zu generieren, in denen wir uns OHNE tiefen Absturz Bilanz und Kurskorrektur gönnen. Um danach, weil klar und absichtsvoll in uns gereift, kraftvoll und entschieden veränderte Schritte anzugehen. Nicht weil der Kalender es will, z.B. am 1.Januar eines neuen Jahres, sondern weil wir intern wissen: SO geht es weiter! Und DAMIT ist Schluss! Weil jede Faser in uns JA sagt zu diesem neuen Schritt. Und aufgepasst, an einer Stelle eine kraftvolle Veränderung zu etablieren ist äußerst wirkungsvoll. Fast alle anderen Lebensbereiche kommen mit in Bewegung, OHNE dass diese mit oben auf der Agenda stehen. Irgendwie nebenbei.
  2. Zum Zweiten, dass es hilfreich ist, Wissen, Strategien - und auch Menschen - zu kennen für komplizierte Zeiten. Damit wir diese auch in ihrer Kompliziertheit und bedrängenden Art annehmen und aushalten können! Ein ganz wichtigter Tipp scheint mir zu sein, kleine Schritte zu gehen. Auf den Moment, die nächste Stunde und den aktuellen Tag zu schauen. Im Moment gewahr zu werden, dass wir leben. Zu registrieren, dass unser Herz schlägt, uns unsere Atmung trägt, die Sinnesorgane unterstützen. Dass wir ein Dach über dem Kopf haben und etwas zu essen, gar gefahrlos schlafen können. Keine Selbstverständlichkeit für jedeN. Dharma Punx erzählt davon in seinem Buch, wie ihm genau diese Fokussierung in einem Moment tiefsten Absturzes geholfen hat. Hut ab. Kleine Schritte heißt auch, z. B. in Momenten totaler (Prüfungs)Angst, in denen wir am liebsten nur fliehen wollen, uns dafür zu entscheiden, die nächste Stunde, den nächsten halben Tag dabei zu bleiben, nicht aufzugeben. Sondern durch den Engpass zu gehen. So habe ich schon eng per Email Kunden durch derartige Zeiten begleitet. Oder in Phasen existentieller Not oder Angst auf den aktuellen Tag, die kommende Woche zu schauen und festzustellen, dass kein Untergang zu befürchten, Überleben garantiert ist. Auch macht es Sinn, im Kreise wirklich guter Freunde über Freundschaft zu sprechen und sich zu vergewissern, dass diese in guten und in schlechten Zeiten gilt. Und nicht nur darin besteht, auf Partys ausgelassen zusammen zu sein.
  3. Zum Dritten sind vermehrt aufkommende Ängste eine Einladung, eigene Vorstellungen vom Menschsein, Verlust, Tod aber auch von den Kräften hinter dem, was wir Leben nennen, zu überprüfen bzw. überhaupt zu entwickeln. Versteckten einengenden Glaubenssätzen und Konzepten auf die Spur kommen. Was macht ein gelingendes Leben für uns aus? Wie ordnen wir Krisen ein? Sind sie und deren Meistern nicht vielmehr das Salz in der Suppe, machen uns sensibel, empathisch, zeigen die Fragilität von Leben auf? Bringen uns weiter und lassen uns persönlich reifen? Damit wir achtsam werden bzw. bleiben? Wie wäre es, wenn das Universum ein freundlicher Ort wäre, so wie Albert Einstein einmal gesagt haben soll?

Begrüßen wir sie, die Krise, wenn sie schon kommt, denn sie ist Botschafterin des Neuen, welches in die Welt will. Jede Geburt ist eine Krise. Sammeln wir Wissen, wie auch in Momenten des Umbruches der Weg ins Leben zu finden ist. Die Geburt ist wahrlich eine sehr gute Metapher. Vertrauen und Achtsamkeit helfen. Wissen um diesen Prozess auch.

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