WdM 2: Management 1.0 und 2.0
Im zweiten Teil dieser Reihe an Blogbeiträgen zum Wandel des Managements geht es um die typischen Management-Versionen, wie sie am Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind und oftmals auch noch unsere heutigen Organisationen prägen.
Der Wandel
Die Beobachtung, dass sich Management wandelt und auch wandeln muss, ist schon ein paar Jahre alt. Oft taucht in diesem Zusammenhang der Begriff Management 2.0 auf. Ich halte mich im Folgenden bei den Versionen des Managements an Jurgen Appelo und die London Business School (University of London), die schon mal 3 Versionen des Managements beschreiben. Aber die Entwicklung geht weiter und so komme ich zu inzwischen 5 Versionen, wobei die 5. Version, Management 5.0, noch sehr vage ist und sich eventuell als Wirtschaft 2.0 heraus stellen wird.
Die verschiedenen Management-Versionen stehen für eine (zeitliche) Entwicklung. Und sie spannen ein Spektrum auf zwischen Misstrauens- und Vertrauenskultur.
Nun, wie veranschaulicht man die Versionen des Managements am besten, so dass Andere es auch verstehen können? Es stellte sich mir die Frage, wie kann ich meine Gedanken unserem Team vermitteln? Zeichnen oder als 3D-Konstruktion? Schließlich kam mir die Idee, lasst uns die Idealformen der einzelnen Management-Versionen gemeinsam erbauen. In vergangenen Jahrhunderten spielten die Militär-Strategen ihre Schlachten im Sandkasten durch. Feuchter Sand ist einfach modellierbar. Jeder kann damit Objekte formen. Also lasst uns Organisationen in den Sand setzen.
Management 1.0: streng hierarchisch
Fangen wir sozusagen mit dem Urtypus an. Im ersten Teil von „Wandel des Managements" waren wir bei Taylor, Fayol und Ford und deren Gedanken. Die damals entstandene, streng hierarchische Form möchte ich als Management 1.0 bezeichnen. In unserem Sand-Modell sieht es so aus:
Die (hier gelben) Arbeiter bilden eng beieinander stehend die Produktionskette, den Wertschöpfungsprozess. Die Abteilungsleiter sind relativ isoliert – ein Austausch auf gleicher Ebene ist sehr schwierig bis unmöglich. Wer sich z.B. mit neuen Ideen zu sehr „aus dem Fenster lehnt", stürzt ab. Die Kommunikation erfolgt nahezu ausschließlich vertikal. Alles bündelt sich in der Spitzenposition. Der Boss ist quasi die Firma.
Alles funktioniert per Anweisung – man könnte auch sagen: Befehl und Gehorsam. Der Arbeiter wurde als kleines Rädchen im Räderwerk des Unternehmens gesehen – sehr schön dargestellt in Charlie Chaplins Film „Modern Times" von 1936. Der Arbeiter wurde nicht als individueller Mensch betrachtet, sondern als Maschine, die an einer anderen Maschine immer die gleiche Tätigkeit ausführt. Nachdenken oder Planen waren für die Arbeiter quasi verboten. Abweichungen von der Norm wurden hart bestraft.
Die Ford Motor Company im Zeitraum um 1920 war vermutlich eine typische Form von Management 1.0. Die starre Hierarchie mit Unterordnung bzw. Rangordnung fand man aber auch schon weit vor Fayols „Administration Industrielle et Générale" z.b. in der Verwaltung chinesischer Kaiserreiche um das Jahr 0 und vielleicht sogar noch früher beim Militär.
Der Vorteil dieses Systems ist die Klarheit, dass Jeder weiß, wessen Befehle/Anweisungen er folgen muss. In Situationen, wo schnelle Entscheidungen und schnelle, präzise Umsetzung, notwendig sind, zeigt Management 1.0 seine Stärken. Stellen Sie sich ein Segelschiff vor und ein Sturm zieht auf: Da wird nicht 'rum diskutiert, sondern der Skipper gibt klare Anweisung, was zu tun ist. Und es wird dann auch so gemacht – ohne Widerstand –, da Jeder die Kompetenz und Autorität des Skippers in dieser dringenden Situation akzeptiert.
Dass man heute diese Form des Managements nur noch selten antrifft, hat seine guten Gründe: Es ist unmenschlich – Monotonie, Abschalten des Kopfes –, der Informationsfluss funktioniert schlecht und das Ganze wurde dadurch eher starr und träge, der Blick der mittleren Ebene war nur auf ihre Untergebenen und den Boss, jedoch nicht auf das große Ganze, die Entscheidungen an der Spitze waren nicht immer die besten. Der Kunde taucht in diesem Modell nicht auf – er bekam nur das, was die Fabrik produzierte bzw. der Boss wollte. So gab es das Ford T-Modell ausschließlich in der Farbe schwarz.
Management 2.0: divisionale Organisation
Anders als die Ingenieure Frederick Taylor und Henry Ford war William Crapo Durant, geboren 1861 in Massachusetts, USA, kein Techniker, sondern Verkäufer. Er leitete nach Abbruch der High School den führenden Pferdekutschen-Hersteller. 1904 übernahm er den 1903 gegründeten Automobil-Hersteller Buick Motor Company. 1908 gründete er die General Motors Company und gliederte Buick dort ein. Er kaufte auch gleich die Automobilhersteller Oldsmobile, Oakland Motor Company (Pontiac) und Cadillac auf. Der gescheiterte Versuch Durants, auch Ford zu übernehmen, führte zu einer mehrjährigen Trennung von General Motors. 1911 gründete er die Chevrolet Motor Car Company zusammen mit dem Mechaniker, Motor- und Autoentwickler Louis Chevrolet, geboren 1841 in der Schweiz. 1915 übernahm Durant Chevrolet komplett. Wenige Jahre später übernahm General Motors Chevrolet und Durant wurde wieder Chef von General Motors – und blieb es bis 1920.
General Motors war insbesondere im Zeitraum nach dem 2. Weltkrieg und bis 1960 mit seinem breiten Angebot an Autos unter verschiedenen Marken sehr erfolgreich und setzte Maßstäbe für die Branche.
Die etwas unübersichtlichen Deals mit Unternehmen und Marken prägen General Motors. Wikipedia listet insgesamt 32 Automarken auf, die zu General Motors gehören bzw. gehörten. Diese Aufgliederung eines Konzerns in Sparten als eigenständige Geschäftseinheiten wird als (multi)divisional Organisation bezeichnet. General Motors und DuPont waren dafür die Vorreiter. Heute ist diese Organisationsform bei Konzernen weit verbreitet.
Bei divisionalen Organisation hat man sozusagen kleine, mehr oder weniger autonome Unter-Unternehmen unter dem Dach einer Holding. Und es kann gut sein, dass diese Untereinheiten auch wieder Untereinheiten wie z.B. Projekte oder Geschäftsbereiche haben. Insofern ähnelt das Ganze einer fraktalen Struktur – wie z.B. bei einem Blumenkohl und insbesondere bei der Blumenkohl-Variante Romanesco.
Diese komplexe Struktur einer Organisation mit Geschäftsbereichen, Projekten (Matrix-Organisation), Stabsstellen, Beauftragten und Koordinierungsstellen ist typisch für Management 2.0. Also eigentlich recht ähnlich wie bei Management 1.0, nur alles viel komplizierter und verwuselter.
In unserem (vereinfachten) Darstellung im Sandkasten zeigt sich die Produktionsebene etwas aufgelockert. Die mittlere Führungsebene steht gegenseitig in (Sicht-)Kontakt: Informationen fließen vertikal und horizontal. Und manchmal bilden bestimmte Bereich auch eigene Kommunikationsinseln.
An der Spitze unserer Stufenpyramide als Darstellung von Management 2.0 haben wir zwar nur eine Figur. In der Praxis sind es aber oft mehrere Personen, die zusammen das Unternehmen leiten – angesichts der komplexen Struktur wohl auch eine gute Vorgehensweise. Es wird jedoch auch bei dieser Management-Version erwartet, dass sich die unteren Ebenen den Zielen und Strategien der Spitze unterordnen.
Wo bei Management 1.0 Befehl und Gehorsam galt, wird bei Management 2.0 auf Delegation gesetzt. Oft auch auf (mehr oder weniger einseitige) Zielvereinbarungen. Der Mensch ist nicht mehr „Roboter“, sondern ein Individuum, das individuell passend zur Maschinerie des Unternehmens eingearbeitet und trainiert, angepasst werden muss. Kennziffern (KPIs = Key Performance Indicators) ermöglichen eine einfache, formalisierte Kontrolle des Systems und Beurteilung der Mitarbeiter.
Für die Mitarbeiter ist es nicht einfach, in diesem komplexen Gebilde die richtigen Stellen zu finden, die man anzustupsen muss, damit sich was bewegt. Bei Entscheidungen ist man auf Vorgesetzte angewiesen, die vielleicht gar nicht so vertraut mit der Materie sind oder andere Prioritäten setzen. Aufgaben und Anforderungen kommen nicht nur vom Vorgesetzten – wie bei Management 1.0 –, sondern auch von Kollegen, Geschäftspartnern oder aus Projekten. Immer mehr, immer besser, immer schneller! Fehler sind unbedingt zu vermeiden. Während bei Management 1.0 die Monotonie nervte, ist es bei Management 2.0 die Überlastung.
Die Mehrheit der heutigen Unternehmen und Verwaltungen würde ich Management 2.0 zuordnen.
Management 2.0 und als Teil davon das klassische Projektmanagement (Wasserfall-Modell) haben ihre Stärke, wenn man unbedingt und sehr präzise ein festgelegtes Ziel (bezüglich Zeit, Kosten und Qualität) erreichen möchte und der Weg dorthin weitgehend bekannt ist. Dort, wo Kontrolle (lebens)wichtig ist. Und wo keine größeren Störungen zu erwarten sind.
Gründe für eine Weiterentwicklung über Management 2.0 hinaus sind zum Beispiel: zu viel Bürokratie – wenn u.a. die Dokumentation wichtiger wird als die eigentliche Leistung –, zu starr in Bezug auf Störungen oder Veränderungen von außen und Demotivation sowie Burnout als Massenphänomen.
Es wird Zeit für eine weitere Management-Version, die menschlicher und offener ist ...