WdM 6: Aufgaben und Rollen

Tanz mit dem WandelIm sechsten Teil dieser Reihe an Blogbeiträgen zum Wandel des Managements geht es um die unterschiedliche Rollen und Aufgaben der einfachen Mitarbeiter und der Führungskräfte bzw. Manager innerhalb der einzelnen Management-Versionen.

Aufgaben und Rollen je nach Management-Version

Je nach Management-Version bekommen die Menschen im Unternehmen unterschiedliche Aufgaben beziehungsweise Rollen. Im Folgenden möchte ich am Beispiel der Produktion verdeutlichen, wie ich dies verstehe.

Im Management 1.0 sind die Rollen und Aufgaben klar verteilt: Die Arbeiter machen die Arbeitsschritte genau so, wie es ihnen gezeigt wurde. Die Richtung, die großen Ziele werden ganz oben in der Hierarchie festgelegt. Und von den Ebenen darunter immer weiter detailliert. Bis hin zum Arbeiter, dessen Handgriffe klar vorgegeben werden. Die Handlung der einen Ebene wird immer durch die Ebene eine Stufe höher festgelegt.

Der Arbeiter im Management 1.0 hat keine Freiheiten, was er wie macht, sondern ist nur ausführende Arbeitskraft – ähnlich wie ein Roboter. Er trägt nur die Verantwortung dafür, dass er seine Arbeit, seinen Teil des Arbeitsprozesses, genau so macht, wie es ihm vorgegeben wurde. Wenn trotz Einhaltung der Vorgabe nicht das erwünschte Ergebnis erreicht wird, wird es (hoffentlich) nicht dem Arbeiter angelastet, sondern den Ebenen darüber, also z.B. Vorarbeiter, Arbeitsvorbereitung, Konstruktion usw..

Ohne Manager kann die Produktion bei Management 1.0 nicht funktionieren, da das Management die einzelnen Produktionsabschnitte koordinieren und die Vorgabe machen muss, was wann wie von wem gemacht werden soll. Da zu Zeiten von Management 1.0 es relativ wenig Veränderungen (Modellwechsel, technologischer Wandel, Veränderung der Märkte) gab, hatten die Manager genügend Zeit, um sich um diesen „Kleinkram“ zu kümmern.

Im Management 2.0 ist es etwas diffuser. Typischerweise wird oftmals erwartet, dass der Arbeiter das macht, was man ihm vorgibt, und (!) auch ein gutes Ergebnis liefert. Der Arbeiter hat nur geringe Spielräume innerhalb des Arbeitsprozesses, aber trotzdem wird es oft ihm angelastet, wenn das Ergebnis nicht stimmt. Wenn der Arbeiter darauf hin wirkt, den Spielraum zu erweitern, um zu einem guten Ergebnis zu kommen, kann er Glück haben und es wird aufgegriffen. Es kann aber auch passieren, dass so ein „Rebellentum" abgestraft wird. Vom Mitarbeiter gute Ergebnisse bei Einhaltung von vorgegebenen Arbeitsprozessen zu verlangen, ohne ihm die dafür notwendige Unterstützung zu geben, ist ein gutes Mittel, um die Quote der ausgebrannten Mitarbeiter zu erhöhen.

Das Management bei Management 2.0 möchte sich zwar nicht mehr um den täglichen Kleinkram kümmern, will aber unbedingt alles unter Kontrolle behalten und jederzeit direkt wieder eingreifen können. Bei Fehlern wird die Schuld tendenziell eher bei den Arbeitern gesucht. Denn der Vorgesetzte hat den Fehler ja nicht vorgeschrieben, also muss ein Arbeiter irgendwas nicht so gemacht haben, wie der Vorgesetzte es sich gedacht hat.

Im Management 3.0 wie z.B. bei Toyota ist es mal wieder deutlich anders: Das Arbeitsteam übernimmt die Verantwortung für den Prozess und das Ergebnis. Diejenigen, die in dem Prozess arbeiten, gestalten und verbessern ihn gleichzeitig. Denn sie kennen den Prozess, die Werkzeuge und Methoden, den Einfluss der Vorprodukte und die Ergebnisse am besten. Das Team hat somit auch den Auftrag, den Arbeitsprozess zu verbessern.

Die Planung, was wann wie von wem produziert werden soll, ist bei Management 3.0 weitgehend in einem recht einfachen Regelwerk abgebildet bzw. automatisiert. Auch die Koordination zwischen verschiedenen Produktionsabschnitten ist automatisiert z.B. per Kanban. Die Produktion läuft auch ohne das Management. Das Management kann sich stattdessen auf Veränderungen, Personalauswahl, Einarbeitung neuer Mitarbeiter und die Unterstützung von Kaizen konzentrieren.

Im Japanischen werden diejenigen, die wir in unserem westlichen Weltbild als Führungskräfte ansehen würden, auch als Sensei, zu deutsch Lehrer, bezeichnet. Aufgaben eines Senseis in der Produktion sind: Anleiten von neuen Mitwirkenden, Lernprozesse unterstützen, Transparenz sicherstellen, Koordination komplexerer Fragen und schließlich auch Vorbild sein

Der Sensei führt den „Schüler“ an den existierenden Standard heran. Jeder sich wiederholende Arbeitsprozess hat im Management 3.0 einen Standard. Neue Mitarbeiter unterstützt der Sensei durch z.B. die Methodik von Job Instruction, diesen Standard sicher auszuführen.

Diese Standards sind nicht fix und fürs Archiv, sondern werden im Rahmen von Kaizen vom dem den Prozess nutzenden Team weiter entwickelt. Der Sensei ist dabei Lernmoderator und Coach. In unserem klassischen, westlichen Lehrerbild sind Lehrer Menschen, die Lösungen kennen und wissen, was richtig und falsch ist. Als Sensei, Lernmoderator bzw. Coach hingegen mag ich eventuell eine (oder mehr) Lösung kennen, ich halte mich aber zurück und biete meinem Gegenüber die Chance, selbst eine für ihn passende – über den existierenden Standard hinausgehende – Lösung zu finden. Ich versuche die Problemlösungskompetenz meines Gegenübers zu stärken. Wenn es hilfreich ist, erzähle ich, welche Lösungen mir bekannt sind – aber nicht als die richtige Lösung, sondern, um Zuversicht zu geben, dass Lösungen möglich sind, und als Anregung für mein Gegenüber, um die Suche nach für ihn passenden Lösungen anzuregen. Dabei gilt: Lieber eine (zunächst) sub-optimale, selbst entwickelte Lösung als eine vorgefertigte. Im weiteren PDCA-Zyklus wird die gefundene Lösung schließlich noch verfeinert oder auch völlig überarbeitet.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Im Management 3.0 liegt die Verantwortung für die alltäglichen, sich wiederholenden Arbeitsprozesse bei den Arbeitsteams. Das Team entscheidet, wie die Arbeiter ihre Arbeit am besten machen – selbstverständlich unter Berücksichtigung von z.B. Schnittstellen zu anderen Teams oder Bereichen und auch unter Nutzung von quantitativen und qualitativen Messwerten bzw. Kennziffern. Für den Mitarbeiter bedeutet dies mehr Freiheit – und mehr Mitdenken und Mitentscheiden.

Führungskräfte im Management 3.0 stellen sich als Vorbild, Koordinator, Unterstützer und Sensei in den Dienst der Mitarbeiter – zum Nutzen der Gemeinschaft und des Wertschöpfungsprozesses. Die Führungskräfte kümmern sich nicht direkt um das Ergebnis – das ist Sache der Produktionsteams –, sondern eher um die erste (und höhere?) Ableitung davon – mathematisch gesehen.

Durch die einfacheren Managementaufgaben im Management 3.0 – wegen Regelwerken der Planung und weniger Störungen/Fehler durch konsequentes Kaizen – können Führungskräfte eventuell nebenbei auch inhaltlich, also z.B. in der Produktion mitarbeiten. Einer Isolierung des Managements von der realen Welt der Arbeiter wird so verhindert. Da im Management 3.0 Entscheidungen nicht von den Senseis getroffen werden, steht dies einer vertrauensvollen Zusammenarbeitsondern im Team nicht im Wege.

Vertrauen bekommt eine große Bedeutung bei Management 3.0. Wie schon im Abschnitt Management 3.0: lean und agil beschrieben, wird mit Fehlern sehr offen umgegangen. Sie werden als Chance zur Verbesserung gesehen. Das geht so weit, dass es bei Toyota, dem Erfinder des Total Quality Managements (TQM), in manchen Bereichen keine expliziten Qualitätskontrollen mehr gibt. Es gilt dann das Zero-Quality-Control-Konzept (ZQC) von Shigeo Shingeo: Jeder Arbeiter achtet nebenbei darauf, ob alles okay ist – und interveniert gegebenenfalls.

Im Management 3.0 werden Entscheidungen erst intensiv im Team diskutiert, bevor eine gemeinsame Entscheidung getroffen wird. Der Entscheidungsprozess dauert dadurch natürlich deutlich länger als im Management 2.0, aber die Qualität der Entscheidung ist höher und die anschließende Umsetzung geht sehr viel zügiger und reibungsfreier, da Alle hinter der gemeinsam getroffenen Entscheidung stehen und sie tatkräftig unterstützen.

Im Management 1.0 und 2.0 ist das Management oft geneigt, aus den Mitarbeitern durch Druck mehr Leistung heraus zu quetschen: Überstunden, Wochenendschichten, höhere Taktfrequenz am Fließband, Arbeitsverdichtung. Und bei einbrechender Nachfrage wird dann Kurzarbeit angeordnet oder gar Entlassungen ausgesprochen. Im Management 3.0 versucht man das System über verschiedenste Parameter dahin zu entwickeln, dass die Produktion verstetigt werden kann. Der Toyota-Grundwert „Respekt vor den Menschen“ gebietet es, den Mitarbeitern Sicherheit zu geben: Planungssicherheit für ihre Freizeit und auch Zeit für Familie und Hobbys. Limited Work in Progress (Limited WiP) bedeutet, die Arbeitsbelastung von vornherein (zeitlich) zu begrenzen. Es wird für die Produktion nicht mehr geplant, als in konzentrierter, aber entspannter Atmosphäre gut und sicher produziert werden kann.

Bei Management 4.0 löst sich diese Klarheit der Aufgaben bzw. Verantwortlichkeit wieder etwas auf, da es nicht so feste Rollen gibt. Nicht mehr allein das Team ist für seinen Prozess verantwortlich, sondern jeder fühlt sich auch – mehr oder weniger – mitverantwortlich für das große Ganze.

Im Management 4.0 gilt, dass niemals eine Person einer anderen eine Anweisung, einen Befehl geben darf. Alles läuft über freiwillige Zusammenarbeit und Vereinbarungen.

Entscheidungen sind in Management 4.0 nicht mehr ausschließlich gemeinsame Team-Entscheidungen, sondern es wird einfach gemacht – möglichst nach einem sehr erwünschtem Diskurs. Der Meinungsbildungsprozess bekommt ein großes Gewicht. Es gilt aber die Selbstverantwortung. Wer diese Handlungsfreiheit zu Ungunsten der Anderen ausnutzt, muss mit deutlicher Kritik und Verlust der eigenen Reputation und damit Einflussmöglichkeit rechnen. Insofern kann Management 4.0 zu sehr schnellen, tiefgreifenden Änderungen führen, aber auch Entscheidungskorrekturen erfordern.

Fortsetzung ab 12. März …

Im vorletzten Teil dieser Blogreihe geht es um den Paradigmenwechsel, der mit Management 3.0 verbunden ist, um ein Modell, wie Menschen funktionieren, und Methoden zeitgemäßen Managements. Bleiben Sie dran …

Übersicht und Infos zu dieser Blog-Reihe Wandel des Managements

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