Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!

Dieses provozierende Zitat wird David Ben-Gurion, dem ersten Premierminister Israels, zugeschrieben. Und dort brauchte es nicht nur zur Gründungszeit Israels, sondern gerade auch jetzt diese Form von Realismus. Das Wunder. Auf dass Menschen wieder zueinander finden, sich als Wesen und Artgenossen erkennen und Frieden und Verständigung gestalten. Doch so ist das mit unserer Art, wir können uns verrennen und stecken bleiben in unseren Weltbildern und allem, was daran hängt. Und zum Teil bleiben Menschen bis zur bitteren Neige darin gefangen, und können noch nicht einmal im Angesicht des eigenen Unterganges sich an das Menschliche wieder erinnern. Sondern erhoffen sich mit dem persönlichen Untergang einen weitaus größeren Schaden beim Feind zu hinterlassen. In der Süddeutschen wird heute sogar ein Vater erwähnt, der bereit ist, seine Söhne zu opfern für die gerechte Sache der Mursi-Anhängerschaft. Vielleicht einfach, weil es sinnstiftender erscheint, wenn in der Falle steckend samt den Tod vor Augen, dann für einen guten Zweck sterben. Wen übermannt angesicht derartiger Verwirrung und Hilflosigkeit nicht die eigene Ohnmacht?

Passt es – nicht nur in derartig belastenden Situationen im menschlichen Leben, wenn alles auf dem Spiel steht und es um die pure Existenz geht –, an Wunder zu glauben? Und das soll etwas mit Realismus zu tun haben? Ist es nicht wesentlich realistischer davon auszugehen, dass die Art Mensch es nicht schafft, eine nährende Kultur über die Grenzen von Glauben, Kultur, Geschlecht, Alter und Bildung, Zugehörigkeit, Teilhabe an Macht und Reichtum zu pflegen? Ist nicht das realistisch? Und sind nicht Menschen wie wir, die u.a. auf Diversity, Verständigung, Beteiligung, Dialog, Empathie und Wertschätzung setzen, die Träumer und Weltfremden?

Noch ein starkes Wort von David Ben-Gurion, bei wikipedia entdeckt, haut mich um, berührt mein Herz:

„Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich nie einen Vertrag mit Israel unterschreiben. Es ist normal; wir haben ihr Land genommen. Es ist wahr, dass es uns von Gott versprochen wurde, aber wie sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht ihr Gott. Es gab Anti-Semiten, die Nazis, Hitler, Auschwitz, aber war es ihre Schuld? Sie sehen nur eine Sache: Wir kamen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren?“

Das ist wirklich Größe, Blick und Herz frei zu haben für einen derartigen Perspektivwechsel. Angesichts politischer Bedrohungen und Eskalationen in die Schuhe der Anderen treten zu können. Und weiter daran zu glauben, dass Frieden, dass menschliches Miteinander möglich ist. Visionen im Herzen und Hirn mit sich zu tragen, für Besinnung, Mitgefühl und den Glauben daran, dass letztendlich für alle genug da ist. Und das es möglich ist, Verschiedenheit als Gewinn zu verstehen. Und den Weg zu finden, was wirklich erfüllt und ein Leben glücklich sein lässt.

Schauen wir doch einmal auf unsere kleinen verrückten Leben hier in unserer Welt, die i.d.R. im Vergleich mit o.g. Krisenherden und Kriegsszenarien – siehe auch Syrien oder anderswo – doch ziemlich friedlich sind. Sind wir in unserem Leben realistisch und glauben an Wunder? Dass der Konflikt mit dem Kollegen sich zur Freundschaft entwickelt? Dass der Filius seinen eigenen Weg schon findet? Man selbst dunkle Stunden überleben kann? Dass das Leben uns schon tragen wird? Der Tod nicht das Ende aller Dinge sein wird? Und wir lernen werden, mit Wandel konstruktiv umzugehen und nicht sklavisch alles festhalten wollen wie z.B. Jugend, Reichtum, Status, Zugehörigkeit?

Seien wir realistisch. Und glauben wir an Wunder. Und beginnen diese auszumalen. Allein. Und auch gemeinsam. Nicht um schwierige Dinge auszuradieren oder zu übertünchen. Jedoch um eine Richtung zu haben, die stärkt und nährt und Freude bereitet. Uns und andere auch. Und welche uns leitet in unserem Tun. Und wir letztendlich realistisch wachsen an Wundern und Problemen.

Wie war das in Alice hinter den Spiegeln von Lewis Caroll?

„Das kann ich nicht glauben!“ sagte Alice.
„Nein?“ sagte die Königin mitleidig. „Versuch es noch einmal: tief Luft holen, Augen zu ..."
Alice lachte. „Ich brauche es gar nicht zu versuchen", sagte sie; „etwas Unmögliches kann man nicht glauben".
„Du wirst eben darin noch keine rechte Übung haben", sagte die Königin. „In deinem Alter habe ich täglich eine halbe Stunde darauf verwendet.
Zuzeiten habe ich vor dem Frühstück bereits bis zu sechs unmögliche Dinge geglaubt."

Und danach widmen wir uns dann den brennenden Problemen. Und wissen, warum und wohin. Ich möchte, dass die Hoffnung bleibt auf unseren Pfaden. Und die Wunder auch.

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